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Eintrag vom 19.04.2015

Nach der "Geschichte der Schönheit" - Umberto Ecos Band "Die Geschichte der Hässlichkeit"

Die Frage, was Schönheit sei, lässt sich auf den ersten Blick am einfachsten beantworten, indem man auf ihr Gegenteil verweist: das Hässliche. Entsprechend hat Umberto Eco nach seinem wunderbaren Band „Die Geschichte der Schönheit“ einen Komplementärband erstellt, der sich der Hässlichkeit widmet, und ziemlich gleichlautend „Die Geschichte der Hässlichkeit“ heißt.

Ein ausgesprochen schön gestalteter Text- und Bildband, der unterhaltsam aufbereitet Bilder aus verschiedensten Kulturepochen und Kulturräumen versammelt: von antiken Satyr-Statuen über Gemälde von Bosch und Brueghel bis hin zu den verstörenden Fotografien eines Andreas Serrano schlägt Eco den Bogen und reichert das Bildmaterial einerseits mit gut lesbaren und ebenso lehrreichen wie unterhaltsamen Essays an und andererseits mit theoretischen texten zum Begriff des Hässlichen.

Wir sehen Monströses wie Chimären und andere Fabelwesen und banales wie Barthaare am Frauenkinn. Die Bilder erzählen von Gewalt und Verstümmelung, von Krankheit und Verwesung, und man betrachtet sie unweigerlich mit einer Mischung aus Abscheu und Faszination, mit der uns „das Schauderhafte mit unwiderstehlichem Zauber an sich lockt.“ (Schiller)

Doch wenn wir das Hässliche betrachten, sehen wir es, zumindest dann, wenn es künstlerisch verarbeitet und in Szene gesetzt ist, nicht nur als das Hässliche. Denn im Zusammenhang mit der Bildung und Abbildung des Hässlichen in der Kunst und durch die Kunst verschwimmen die Grenzen zwischen schön und hässlich. „Mit anderen Worten: Begegnet uns ein Pestkranker auf der Straße, reagieren wir mit Abscheu, würden wohl davonlaufen, doch sobald er im Gemälde eines großen Meisters ästhetisch gebannt ist, erhält er einen "Widerschein von Schönheit" und wir können uns nicht satt sehen. … Hier fesselt uns ein abgründiger Zauber, ein düsterer Charme.“

Auch eine kathartische Funktion hat das Hässliche. Diese wird z.B. in Karnevalsumzügen, Narrenfesten aktiviert, in denen schaurige, derbe Masken zum Einsatz kommen. Während Schönheit uns an ein Ideal erinnert, das ein Streben in uns auszulösen vermag nach dem Hohen und Guten in uns und uns – recht verstanden – zu einem besseren Menschen machen kann, kann sie sich auch destruktiv auswirken, indem wir rastlos werden, unzufrieden mit uns selbst, letztlich verzweifelt am Ideal. Hier kann die Hässlichkeit als Heilmittel dienen und befreien. Denn sie führt uns all das Niedrige, Lächerliche und Bemitleidenswerte unserer conditio humana vor Augen und kann uns helfen, zumindest für kurze Zeit, unsere existentiellen Ängste zu überwinden.

„Nach der Lektüre des Kapitels über das ‚Hässliche, das Komische und das Obszöne‘“, so fasst der Rezensent der Welt diese kathartische Erfahrung treffend in ein Bild, „wird wohl niemand mehr verdrängen können, dass auch Topmodels zuweilen auf Toilette müssen.“

Leider ist das Buch derzeit weitgehend vergriffen und ist nur noch antiquarisch zu einem recht hohen Preis zu haben. Aber es findet sich im Katalog vieler Bibliotheken und es bleibt die Hoffnung auf eine baldige Neuauflage und ein Erscheinen als Taschenbuch, wie es mit der „Geschichte der Schönheit“ bereits geschehen ist.

Quelle: welt.de

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